WATCHMARKETEER

Der deutsche Marketing-Blog für Luxusuhren

Trends

Der Markt der Luxusuhren, Teil 1: Aktuelle Situation der Uhrenbranche

Die neue Kaufzurückhaltung der Chinesen

Die seit Ende 2012 amtierende chinesische Regierung hat sich unter anderem den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben. Dazu zählt eine Luxussteuer, die bewirkt hat, dass im Land selbst mehr preisgünstige Uhren gekauft werden. Vor allem Longines, ohnehin seit Jahren sehr stark in China, hat von der Luxussteuer zusätzlich profitiert. Seit Herbst 2014 reisen aber auch immer weniger Festlandchinesen zum Uhrenkauf nach Hongkong. Für den Zeitraum Januar bis August 2016 sanken die Schweizer Uhrenexporte nach Hongkong im Wert um 42,6% im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2014. Im stärksten Quartal 4/2011 betrug der Wert der Schweizer Uhrenexporte nach Hongkong 1,3 Milliarden Franken; im 2. Quartal 2016 waren es nur noch 592 Millionen Franken. Voraussichtlich wird Hongkong in der Exportstatistik bald wieder auf Platz zwei hinter den USA zurückfallen, obwohl auch die Exporte in die USA zurückgehen. Schließlich sind seit Ende 2015 auch die Urlaubs- und Einkaufsreisen der chinesischen Touristen nach Europa deutlich zurückgegangen. Gründe sind die zunehmende Angst vor Terroranschlägen sowie die im November 2015 eingeführten neuen Visabestimmungen, nach denen Chinesen, die in die Schweiz einreisen wollen, persönlich ein Schweizer Konsulat in einer der größeren chinesischen Städte aufsuchen und sich dort ihre Fingerabdrücke abnehmen lassen müssen. Zwischen Januar und Juni 2016 besuchten 373.000 chinesische Touristen die Schweiz; im gleichen Zeitraum 2015 waren es noch 451.000 gewesen. Nach der Deloitte-Luxusuhren-Studie 2016 schätzten 78% der befragten Luxusuhrenmanager, dass diese Visabestimmungen die chinesische Nachfrage nach Uhren in der Schweiz verringert bzw. signifikant verringert habe. Zurzeit kaufen Chinesen deutlich mehr in Japan, Thailand und Südkorea ein und weniger in Europa.

Hohes Preisniveau, Überkapazitäten und Krisenstimmung

Eine Kaufzurückhaltung ist nicht nur bei Chinesen spürbar, sondern auch bei Russen und Arabern. Auf den traditionellen Märkten, vor allem in Europa, ist das Geschäft mit der lokalen Kundschaft zwar relativ stabil, hier gibt es aber seit Jahren verstärkt Kritik an den zum Teil heftigen Erhöhungen des Preisniveaus verschiedener Uhren. Nicht wenige Käufer aus der Mittelschicht mussten die Erfahrung machen, dass jahrelanges Sparen auf ein bestimmtes Modell von den gleichzeitig steigenden Preisen konterkariert wurde. Das immer höhere Preisniveau hat bei vielen Uhrenliebhabern dazu geführt, dass sie statt neuer Uhren vermehrt preiswertere Vintage-Modelle kaufen. Aus Sicht der Hersteller wurden die meisten – zum Teil deutlichen – Preiserhöhungen der letzten Jahre durch die große internationale Nachfrage aufgefangen. Bereits infolge der Lehman-Krise 2008/2009 hatte sich eine kurzfristige starke Kaufzurückhaltung ergeben, wurde aber spätestens ab 2010 durch eine neue Boomphase abgelöst. Seit Anfang 2015 (starker Franken, oben beschriebene Entwicklungen) haben wir es mit einer neuen Krise zu tun. Die Schweizer Uhrenexporte fielen wertmäßig im ersten Halbjahr 2016 auf 9,5 Milliarden Franken im Vergleich zu 10,2 Milliarden Franken im Vorjahreszeitraum. Sowohl nach Wert wie nach Stückzahlen sind die Exporte 14 Monate in Folge gesunken.

Weitere Faktoren, die den Markt belasten, sind:
  1.  Der seit Januar 2015 teurere Schweizer Franken: Dieses Thema wird allerdings inzwischen nicht mehr so stark gewichtet, da sich der Kurs des Franken seit Mitte 2015 stabilisiert hat.
  2. Produktfälschungen: Der Schweizer Uhrenverband FH (Fédération de l’industrie horlogère suisse) gibt an, dass jährlich weltweit 40 Millionen Fakes produziert werden – im Vergleich zu 30 Millionen echten Schweizer Uhren! Sowohl die Qualität als auch die Ähnlichkeit zu echten Modellen haben sich in den letzten Jahren immer weiter verbessert, sodass viele Fakes auf den ersten, manchmal auch auf den zweiten Blick kaum vom Original zu unterscheiden sind. Die sogenannten Fakes sind über das Internet leicht zu finden und zu bestellen. Einige werden vom Zoll eingezogen, viele erreichen aber die Kunden. Imageverlust ist eine Folge für Marken wie Rolex oder Cartier. Die Hersteller der Fälschungen sitzen vor allem in China, können aber nur schwer verfolgt werden. Marken und Verbände führen seit Jahren einen gemeinsamen Kampf gegen die Produktpiraterie, durchaus in dem Wissen, es wohl niemals völlig unterbinden zu können.
  3. Graumarkt: Gerade die großen, erfolgreichen Marken und Gruppen üben auf den klassischen Fachhandel einen nicht unbeträchtlichen Druck aus. Um eine erfolgreiche Marke führen zu dürfen, muss der Fachhändler bestimmte Mindestmengen abnehmen, die ihrerseits einen hohen Anteil seines Budgets ausmachen. Da sich nicht alle Modelle gleich gut verkaufen, der Händler im nächsten Jahr aber wieder einkaufen muss, drohen dem Händler übervolle Lager. Daher kommt es vor, dass schwer verkäufliche Produkte gegen Rabatte verkauft werden oder in den Graumarkt wandern. Die Marken bekämpfen beide Phänomene, da jede größere Rabattierung am Image eines Luxusprodukts kratzt und daher schädlich für die Marke ist. Gleichzeitig kritisieren aber 10 viele Händler, dass die Marken mit ihren hohen Erwartungen an das Einkaufsvolumen des Händlers diese Phänomene geradezu provozieren.

Laut der im September 2016 erschienenen Deloitte-Studie zur Schweizer Uhrenindustrie beurteilen 82 Prozent der führenden Manager die Zukunft der Schweizer Uhrenindustrie pessimistisch; 79 Prozent sehen in der schwächeren Auslandsnachfrage ein bedeutendes Risiko für die nächsten 12 Monate.

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